Aufführungsdatenbank

Parsifal

Besetzung 2016

Musikalische Leitung

Hartmut Haenchen

Regie

Uwe Eric Laufenberg

Bühne

Gisbert Jäkel

Kostüm

Jessica Karge

Licht

Reinhard Traub

Video

Gérard Naziri

Dramaturgie

Richard Lorber

Chorleitung

Eberhard Friedrich

Amfortas

Ryan McKinny

Titurel

Karl-Heinz Lehner

Gurnemanz

Georg Zeppenfeld

Parsifal

Klaus Florian Vogt

Andreas Schager
6.8. (Umbesetzung)
(6.8)

Klingsor

Gerd Grochowski

Kundry

Elena Pankratova

1. Gralsritter

Tansel Akzeybek

2. Gralsritter

Timo Riihonen

1. Knappe

Alexandra Steiner

2. Knappe

Mareike Morr

3. Knappe

Charles Kim

4. Knappe

Stefan Heibach

Klingsors Zaubermädchen

Anna Siminska

Klingsors Zaubermädchen

Katharina Persicke

Klingsors Zaubermädchen

Mareike Morr

Klingsors Zaubermädchen

Alexandra Steiner

Klingsors Zaubermädchen

Bele Kumberger

Klingsors Zaubermädchen

Ingeborg Gillebo

Altsolo

Wiebke Lehmkuhl

Termine

  • Montag, 25. Juli 2016, 16:00 Uhr
  • Dienstag, 02. August 2016, 16:00 Uhr
  • Samstag, 06. August 2016, 16:00 Uhr
  • Montag, 15. August 2016, 16:00 Uhr
  • Mittwoch, 24. August 2016, 16:00 Uhr
  • Sonntag, 28. August 2016, 16:00 Uhr

Gedanken zu „Parsifal“

Richard Lorber (RL): Ist „Parsifal“ ein religiöses Werk?

Uwe Eric Laufenberg (UEL): Man könnte sagen, ein pan-religiöses Werk oder ein post-religiöses Werk, ein Werk, das über die Religion hinausgeht und das zugleich den Ursprung von Religion betrachtet. Dieser Grundzug zeigt sich auch in Wagners Musik. Die zweite Szene des ersten Aufzugs beispielsweise ist ein auskomponiertes Ritual. Fragt sich nur, was für eines.

RL: Titurel fragt: „Mein Sohn Amfortas, bist du am Amt?“ Ist es ein liturgisches Hochamt, das da vollzogen werden soll?

UEL: […] Für mich ist interessant, dass Wagner dieses Ritual abstrahiert, neu konstruiert und aus dem religionsgeschichtlichen Zusammenhang löst, indem er das Ritual mit der Gralsenthüllung zusammenbringt, zu der ja eigentlich auch der Speer gehört, der aber nicht mehr zur Verfügung steht, weil er als Waffe kriegerisch eingesetzt wurde. Das Ritual ist im „Parsifal“ also nicht Vollzug eines überlieferten Ritus, sondern versinnbildlicht das Thema des Stücks, die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen, also das, was Gurnemanz in seiner langen Erzählung vorher bloß berichtet hat. In der szenischen Umsetzung wollen wir aber der sinnbildlichen Darstellung des Rituals nicht ausweichen, sondern so nah kommen wie irgend möglich.

RL: Was hat das für eine szenische Konsequenz?

UEL: Amfortas, der gesündigt hat, […] wird als jemand gezeigt, der wie Jesus, aber nicht stellvertretend für ihn, in einen Opfergang gedrängt wird. Amfortas ist körperlich versehrt, seine Wunde blutet. Die Gralsgesellschaft braucht diese Vergegenwärtigung, sie braucht das Blut, obwohl es eigentlich sündiges Blut ist, zu ihrer Stärkung. Und sie nimmt dafür in Kauf, dass ein Mensch unendlich gequält wird. Amfortas ist kein Märtyrer, denn er nimmt seine Leiden ja nicht aus eigenem Entschluss auf sich. Außerdem bewirken sie bei ihm selbst keine geistige Befreiung oder Erlösung. Die Ritter brauchen offenbar die Anschauung seines leiblichen Leidens, zumindest nehmen sie es ohne weiteres in Kauf. Ich habe mich immer gefragt, was das eigentlich bedeutet, dass sich die Ritter durch das bloße Betrachten des Grals stärken. Das kann ja nicht nur geistige Nahrung sein. Bei Wagner ist das für mich geradezu widersprüchlich: einerseits der gepeinigte Amfortas, andererseits das andachtsvolle Verspeisen und Trinken von Brot und Wein.

[…]

RL: Jenseits dieser dramaturgischen und szenischen Deutung müssen Sie das Stück ja auch irgendwo verorten. Wo findet das statt bei Ihnen?

UEL: An Orten, wo das Christentum bedroht ist, wo es nicht als große Institution und Machtfaktor auftritt, sondern genau dort, wo es – und das haben die letzten drei Päpste immer wieder betont –, weil es bedroht ist, sich regenerieren kann, also dort, wo es als eigene Gemeinschaft auf sich selbst zurückgezogen existieren muss und gleichzeitig Schutzsuchenden ein Asyl bietet. Wir stellen uns eine Kirche in bedrohten Gebieten für Christen vor, und von dort gehen wir dem Stoff, so wie Wagner ihn ausbreitet, mit unseren heutigen Erfahrungen nach.

Der Regisseur Uwe Eric Laufenberg im Gespräch mit Richard Lorber. Das vollständige Interview ist im Programmheft der Bayreuther „Parsifal“-Inszenierung 2016 nachzulesen.

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Richard Lorber (RL): Sie sind ja zur Zeit wahrscheinlich der Dirigent, der Wagners „Parsifal“ am häufigsten und in verschiedenen Produktionen als Dirigent mitgestaltet hat. Sie haben mit ganz unterschiedlichen Regisseuren zusammen gearbeitet, mit Romeo Castellucci in Brüssel, Krzysztof Warlikowski in Paris und Keith Warner in Kopenhagen. Gibt es für Sie eine generelle Linie, dass Sie z. B. sagen, ich arbeite lieber mit Anhängern des Regietheaters zusammen oder lieber mit Regisseuren, die traditioneller inszenieren, wie Keith Warner? […]

Hartmut Haenchen (HH): Ich habe sehr viel übrig für neue Gestaltungen der Werke. Auch [Richard] Wagner war ja nie zufrieden mit dem, was szenisch in Bayreuth geschah. Er hat ja etwas sarkastisch gesagt: Ich habe nun das unsichtbare Orchester erfunden, ich will jetzt auch das unsichtbare Theater erfinden, weil ihm das alles nicht genügte. Das heißt für uns, wir müssen danach schauen, was uns das Werk heute sagt. Ich habe, wie Sie richtig sagen, sehr unterschiedliche Deutungsansätze für den „Parsifal“ erlebt, und meine Erfahrungen sind auch außerordentlich unterschiedlich. Mit dem einen Regisseur ist es möglich, sich lange zuvor über das Konzept zu unterhalten und dabei auch ganz praktische Fragen zu klären, z. B. wie die Bühnenmusik zu realisieren oder wie die Szene mit den Blumenmädchen zu behandeln ist. Es gibt ja tausend Fragen, die man eigentlich im Vornherein klären sollte. Am liebsten habe ich es, wenn ich mein Konzept, das ich lange im Voraus entwickle, ausführlich mit dem Regisseur besprechen kann. Das kann man aber nicht erzwingen. [Beim „Parsifal“ in Bayreuth 2016 war das allerdings aufgrund der besonderen Umstände nicht möglich. Anm. d. Red.] […]

RL: Was besprechen Sie dann mit dem Regisseur?

HH: Ich habe mich intensiv mit „Parsifal“ beschäftigt, auch mit vielen Details, wie sie in den Aufzeichnungen von Heinrich Porges, Wagners Assistent bei der Uraufführung des "Parsifal", überliefert sind. Da geht es zum Beispiel darum, wie die Tempoverhältnisse unter den Figuren verteilt sind. Und das möchte ich auch ein bisschen auf der Bühne wiedererkennen. […]

RL: Es gibt ja diesen berühmten Satz des Gurnemanz: „Zum Raum wird hier die Zeit“. Das haben Sie erklärtermaßen als Motto für Ihre Interpretation genommen.

HH: Das ist für mich im „Parsifal“ wirklich die Grundlage und die große Veränderung zu den früheren Werken. Diese Veränderung besteht darin, dass Wagner im „Parsifal“ viel mehr mit der Pause arbeitet, also mit einem musikalischen Raum, in dem nichts konkret Hörbares geschieht, wo er es dem Hörer überlässt, die Musik weiterzuentwickeln. Denn nach der Pause kommt niemals, im „Parsifal“ nicht ein einziges Mal, das Gleiche zurück. Das heißt in der Pause, in dem Raum, den Wagner gibt, ist die Zeit, um über die Musik weiterzudenken, sie weiter zu fühlen, ohne dass man sie hört. Das ist für mich eigentlich ein Schritt in die Avantgarde. Den finde ich so ungeheuerlich. Besser als durch dieses Motto kann man das, was musikalisch am „Parsifal“ wichtig ist, nicht umschreiben.

Hartmut Haenchen in einem Gespräch, das Dr. Richard Lorber, der Dramaturg der Bayreuther „Parsifal“-Inszenierung 2016, im Dezember 2013 im Rahmen der Sendung „Orfeo – Das WDR 3 Opernstudio“ mit  ihm führte.

 

Parsifal

Ein Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen

Libretto: Richard Wagner
Originalsprache: Deutsch
Uraufführung: 26. Juli 1882 Bayreuth

Personen

Amfortas (Bariton)
Titurel (Bass)
Gurnemanz (Bass)
Parsifal (Tenor)
Klingsor (Bariton)
Kundry (Sopran)
Zwei Gralsritter (Tenor und Bass)
Vier Knappen (Sopran und Tenor)
Klingsors Zaubermädchen (sechs Soprane)
Stimme aus der Höhe (Alt)

Handlung

Auf dem Gebiet und in der Burg der Gralshüter „Montsalvat“, Klingsors Zauberschloss und Garten; frühes Mittelalter.

Vorgeschichte

Der Gralskönig Amfortas hat im Kampf gegen den abtrünnigen Ritter Klingsor, der trotz seines Verlangens nach Heiligkeit nicht fähig war, ein reines Leben zu führen und sich deshalb selbst entmannte und eine Zauberburg geschaffen hat, den heiligen Speer verloren, als er sich von der dämonischen Kundry verführen ließ. Klingsor hat Amfortas mit dem Speer eine niemals heilende Wunde geschlagen; nun sucht Kundry, die sich in Klingsors Gewalt befindet, ihre Schuld zu sühnen, indem sie Amfortas heimlich lindernde Kräuter und Tränke bringt.

Erster Aufzug

Im Wald bei der Gralsburg, unweit des heiligen Sees, hält sich der alte Gralsritter Gurnemanz mit einigen Knappen auf und befiehlt ihnen, das Bad für den kranken König zu bereiten. Nach seinem Morgengebet erscheint Kundry und bringt Heilkräuter aus fernen Ländern. In traurigem Zug wird Amfortas herbeigetragen; seinen Dank weist Kundry zurück. Nach dem Bad des Königs erzählt Gurnemanz den Knappen die Geschichte vom ersten Gralskönig Titurel und dessen Sohn Amfortas („Titurel der fromme Held“). Eine Hoffnung ist für Amfortas geblieben: Seine Wunde kann durch die Berührung des heiligen Speers geheilt werden; aber nur ein durch Mitleid wissender „reiner Tor“ kann ihn zurückbringen. Plötzlich wird die Stille des Waldes gestört. Ein tödlich getroffener Schwan fällt zu Boden, die Ritter bringen den Schuldigen, einen fremden Jüngling, zu Gurnemanz, der ihm die Frevelhaftigkeit seines sinnlosen Handelns vorhält. Beim Anblick des toten Tieres zerbricht der Jüngling in einer plötzlichen Aufwallung der Gefühle seinen Bogen. Er weiß nichts von seiner Herkunft, kennt nicht seinen Namen, weiß nur, dass seine Mutter, der er weggelaufen ist, Herzeleide genannt wurde. Kundry hat zugehört; sie kennt seine Herkunft und sagt ihm hart, dass seine Mutter tot sei, worauf er sie wild an der Kehle packt. Gurnemanz kann ihn beruhigen. Er hält ihn für den verheißenen reinen Toren und führt ihn in die Gralsburg, wo er Zeuge des Liebesmahles der Bruderschaft der Gralsritter und der furchtbaren Klage des leidenden Amfortas wird, der sich weigert, Titurels Bitte um Enthüllung des lebensspendenden Grals, der Schale mit dem Blut des Erlösers, nachzukommen („Mein Sohn Amfortas“ – „Nein, lass ihn unenthüllt“). Doch Titurels Befehl muss erfüllt werden; alle sinken in die Knie, während der geheimnisvolle Gral in seltsamem Licht erglüht. Der Jüngling fühlt, dass hier etwas Unfassbares vorgeht, doch schweigend verweilt er bei der heiligen Handlung; sein Mitleid ist nicht zur Tat geworden. Enttäuscht jagt Gurnemanz ihn hinaus. Aus der Kuppel des Raumes tönt eine Stimme: „Durch Mitleid wissend, der reine Tor.“

Zweiter Aufzug

Auf seiner Zauberburg sieht Klingsor den von langer Wanderschaft kommenden Jüngling herannahen. Auf sein Geheiß erwacht Kundry mit einem furchtbaren Schrei aus todesähnlichem Schlaf; Klingsor zwingt sie, den Jüngling zu umgarnen und zu vernichten. Ein zauberhafter Garten entsteht; verführerische Mädchen umdrängen den staunenden Jüngling. Dann erscheint Kundry, die ihn mit seinem richtigen Namen Parsifal anspricht und vom Sterben seiner Mutter erzählt. In zauberhafter Schönheit nähert sie sich dem von der Erzählung bewegten Jüngling. Bei ihrem Kuss aber erwacht Parsifal zu plötzlichem Wissen; das Bild des leidenden Amfortas ersteht vor seinem inneren Auge. Er stößt Kundry von sich; ihre Verlockungen können ihn nicht mehr bewegen, er wird sich seiner Sendung bewusst. In ihrer Verzweiflung ruft Kundry Klingsor herbei, der den heiligen Speer nach Parsifal schleudert. Doch über seinem Haupt bleibt die Waffe schweben, sodass Parsifal sie ergreifen und damit das Zeichen des Kreuzes schlagen kann. Mit einem Mal versinken der Zaubergarten und Klingsors falsches Reich. „Du weißt, wo du mich wiederfinden kannst“, ruft er Kundry zu, dann begibt er sich auf die Fahrt zur Gralsburg.

Dritter Aufzug

Im einsamen Wald lebt Gurnemanz traurig und verlassen. Titurel ist gestorben, Amfortas enthüllt den lebensspendenden Gral nicht mehr. In den Büschen findet Gurnemanz die erstarrte Kundry, die sich demütig anbietet, nur noch zu dienen. Ein Ritter in dunkler Rüstung mit geschlossenem Visier schreitet durch den Wald; freudig erstaunt erkennt Gurnemanz den Toren, den er einst fortgeschickt hatte, und Amfortas' heiligen Speer. Parsifal erfährt von Gurnemanz die Not der Gralsritter; dann wäscht Kundry ihm die Füße. Gurnemanz begrüßt ihn als neuen Gralskönig; als solcher vollzieht er als erstes Amt an Kundry die Taufe. Gurnemanz preist die Bedeutung des Karfreitagswunders; in leuchtender Schönheit erblüht die Natur (Karfreitagszauber „Mein erstes Amt ... Wie dünkt mich doch die Aue heut so schön!“). Dann geleitet Gurnemanz Parsifal zur Gralsburg. Dort schreiten die Ritter in düsterem Zug zur Totenfeier für Titurel. Noch einmal soll Amfortas ihnen den Gral enthüllen; doch er weigert sich und fleht sie an, ihm den Tod zu geben. Da betritt Parsifal in Begleitung von Kundry und Gurnemanz den Saal. Mit dem Speer berührt er Amfortas' Wunde (Szene „Nur eine Waffe taugt“) und erlöst ihn hierdurch von seinem Leiden. Als neuer Gralskönig enthüllt er die heilige Schale; während ihr Licht strahlt, wird Kundry durch den Tod erlöst.


Harenberg Kulturführer OperMit freundlicher Genehmigung entnommen aus:

© Harenberg Kulturführer Oper,
5. völlig neu bearbeitete Auflage,
Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus