Aufführungsdatenbank

Parsifal

Besetzung 2019

Musikalische Leitung

Semyon Bychkov

Regie

Uwe Eric Laufenberg

Bühne

Gisbert Jäkel

Kostüm

Jessica Karge

Licht

Reinhard Traub

Video

Gérard Naziri

Dramaturgie

Richard Lorber

Chorleitung

Eberhard Friedrich

Amfortas

Ryan McKinny

Titurel

Wilhelm Schwinghammer

Gurnemanz

Günther Groissböck

Parsifal

Andreas Schager

Klingsor

Derek Welton

Kundry

Elena Pankratova

1. Gralsritter

Martin Homrich

2. Gralsritter

Timo Riihonen

1. Knappe

Alexandra Steiner

2. Knappe

Mareike Morr

3. Knappe

Paul Kaufmann

4. Knappe

Stefan Heibach

Klingsors Zaubermädchen

Katharina Konradi

Klingsors Zaubermädchen

Ji Yoon

Klingsors Zaubermädchen

Mareike Morr

Klingsors Zaubermädchen

Alexandra Steiner

Klingsors Zaubermädchen

Bele Kumberger

Klingsors Zaubermädchen

Marie Henriette Reinhold

Altsolo

Simone Schröder

Termine

  • Dienstag, 30. Juli 2019, 16:00 Uhr
  • Freitag, 02. August 2019, 16:00 Uhr
  • Montag, 05. August 2019, 16:00 Uhr
  • Donnerstag, 15. August 2019, 16:00 Uhr
  • Montag, 19. August 2019, 16:00 Uhr
  • Donnerstag, 22. August 2019, 16:00 Uhr
  • Montag, 26. August 2019, 16:00 Uhr

Gedanken zu „Parsifal“

Richard Lorber (RL): Ist „Parsifal“ ein religiöses Werk?

Uwe Eric Laufenberg (UEL): Man könnte sagen, ein pan-religiöses Werk oder ein post-religiöses Werk, ein Werk, das über die Religion hinausgeht und das zugleich den Ursprung von Religion betrachtet. Dieser Grundzug zeigt sich auch in Wagners Musik. Die zweite Szene des ersten Aufzugs beispielsweise ist ein auskomponiertes Ritual. Fragt sich nur, was für eines.

RL: Titurel fragt: „Mein Sohn Amfortas, bist du am Amt?“ Ist es ein liturgisches Hochamt, das da vollzogen werden soll?

UEL: […] Für mich ist interessant, dass Wagner dieses Ritual abstrahiert, neu konstruiert und aus dem religionsgeschichtlichen Zusammenhang löst, indem er das Ritual mit der Gralsenthüllung zusammenbringt, zu der ja eigentlich auch der Speer gehört, der aber nicht mehr zur Verfügung steht, weil er als Waffe kriegerisch eingesetzt wurde. Das Ritual ist im „Parsifal“ also nicht Vollzug eines überlieferten Ritus, sondern versinnbildlicht das Thema des Stücks, die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen, also das, was Gurnemanz in seiner langen Erzählung vorher bloß berichtet hat. In der szenischen Umsetzung wollen wir aber der sinnbildlichen Darstellung des Rituals nicht ausweichen, sondern so nah kommen wie irgend möglich.

RL: Was hat das für eine szenische Konsequenz?

UEL: Amfortas, der gesündigt hat, […] wird als jemand gezeigt, der wie Jesus, aber nicht stellvertretend für ihn, in einen Opfergang gedrängt wird. Amfortas ist körperlich versehrt, seine Wunde blutet. Die Gralsgesellschaft braucht diese Vergegenwärtigung, sie braucht das Blut, obwohl es eigentlich sündiges Blut ist, zu ihrer Stärkung. Und sie nimmt dafür in Kauf, dass ein Mensch unendlich gequält wird. Amfortas ist kein Märtyrer, denn er nimmt seine Leiden ja nicht aus eigenem Entschluss auf sich. Außerdem bewirken sie bei ihm selbst keine geistige Befreiung oder Erlösung. Die Ritter brauchen offenbar die Anschauung seines leiblichen Leidens, zumindest nehmen sie es ohne weiteres in Kauf. Ich habe mich immer gefragt, was das eigentlich bedeutet, dass sich die Ritter durch das bloße Betrachten des Grals stärken. Das kann ja nicht nur geistige Nahrung sein. Bei Wagner ist das für mich geradezu widersprüchlich: einerseits der gepeinigte Amfortas, andererseits das andachtsvolle Verspeisen und Trinken von Brot und Wein.

[…]

RL: Jenseits dieser dramaturgischen und szenischen Deutung müssen Sie das Stück ja auch irgendwo verorten. Wo findet das statt bei Ihnen?

UEL: An Orten, wo das Christentum bedroht ist, wo es nicht als große Institution und Machtfaktor auftritt, sondern genau dort, wo es – und das haben die letzten drei Päpste immer wieder betont –, weil es bedroht ist, sich regenerieren kann, also dort, wo es als eigene Gemeinschaft auf sich selbst zurückgezogen existieren muss und gleichzeitig Schutzsuchenden ein Asyl bietet. Wir stellen uns eine Kirche in bedrohten Gebieten für Christen vor, und von dort gehen wir dem Stoff, so wie Wagner ihn ausbreitet, mit unseren heutigen Erfahrungen nach.

Der Regisseur Uwe Eric Laufenberg im Gespräch mit Richard Lorber. Das vollständige Interview ist im Programmheft der Bayreuther „Parsifal“-Inszenierung 2018 nachzulesen.

---

Richard Lorber (RL): Das erste Werk, das Sie von Wagner dirigiert haben, war Parsifal, 1997 in Florenz beim Maggio Musicale Fiorentino. Ist es nicht ungewöhnlich, mit dem letzten Werk von Wagner die Beschäftigung mit diesem Komponisten zu beginnen?

Semyon Bychkov (SB): Es war meine Wahl. Parsifal ist zweifellos ein Werk, das einen universellen Anspruch stellt und mit dem Wagner auf die menschliche Existenz als ganze zielt, was meiner Meinung nach niemand seit Johann Sebastian Bach vermocht hat. Und das ist etwas, was mich bis heute fesselt.

RL: Wenn Sie von dem universalen Anspruch sprechen, meinen Sie damit den ideengeschichtlichen Zusammenhang, etwa eine dem Werk zugrunde liegende philosophische oder quasi kunstreligiöse Aussage oder mehr eine bestimmte musikalische Struktur?

SB: Beides. Parsifal ist sicher keine Sakralmusik, aber so etwas wie die Summe seines Lebenswerks und seiner Lebensanschauungen. Es geht also um Fragen, die in den Bezirk des Religiösen gehören. Man kann das auch in der Musik festmachen, nicht nur im Libretto. Der Musik von Parsifal ist eine eigentümliche, durchgehende Intensität eigen, die aber weniger auf einzelne Höhepunkte zusteuert. Es ist eine Intensität des ständigen Wandels, einer andauernden Transformation. Oder nehmen Sie die Tonartenverhältnisse. Jede Tonart stellt in diesem Werk eine Art Galaxie dar, und Wagner reist von einer Galaxie in die andere oft mehrfach innerhalb eines Taktes. Auch hier dieses permanente Reisen und Umherschweifen. [...]

Ich möchte in diesem Zusammenhang gerne noch eine Begebenheit schildern. Die erste Aufführung, die ich in Bayreuth hörte, war Parsifal. Ich saß in der zweiten Reihe. Bevor der erste Ton des Vorspiels erklang, erspürte ich ihn vom Boden mit meinen Füßen durch ein Vibrieren. Es war so etwas wie die Geburt eines Tones und weniger der Beginn einer Oper. Eigentlich gibt es im Parsifal keinen Beginn, sondern eine Bewusstwerdung des ersten Tones, etwas, was dann auf den Gesamteindruck des Stücks ausstrahlt. Auch darin zeigt sich der grundlegende musikalisch-philosophische Ansatz.
Diese Wirkung hängt natürlich stark mit der akustischen Situation im Bayreuther Festspielhaus und dem abgedeckten Orchestergraben zusammen, durch den eine Art immaterieller Klang entsteht, von dem man nicht weiß, woher er eigentlich kommt.

RL: Sie haben Parsifal oft dirigiert, in Florenz, Wien oder Madrid. Wird Ihre Interpretation in Bayreuth eine andere sein?

SB: Nein. Ich versuche immer, mich dem, was das Spezifikum von Bayreuth ausmacht, auch anderswo anzunähern. Dabei ändert sich meine Konzeption nicht.

RL: Am Beginn Ihrer Auseinandersetzung mit Wagner stand also ein Besuch in Bayreuth. Sie haben sich dann auch mit den Quellen beschäftigt.

SB: Ich habe die originale Partitur von Parsifal und die originalen Orchesterstimmen der Parsifal-Uraufführung studiert, die bis ca. 1910 in Gebrauch waren. Die Musiker haben die Aufführungsdauern der einzelnen Aufzüge festgehalten. Man sieht, dass die Dirigenten im Laufe der Zeit immer langsamer wurden, bis Richard Strauss 1933 wieder ein sehr flüssiges Tempo anschlug. Er soll gesagt haben, als man ihm seine Tempowahl vorhielt, nicht er sei im Parsifal schneller, sondern „ihr in Bayreuth seid immer langsamer geworden“. [...]

Der Dirigent Semyon Bychkov im Gespräch mit Richard Lorber. Das vollständige Interview ist im Programmheft der Bayreuther „Parsifal“-Inszenierung 2018 nachzulesen.

Parsifal

Ein Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen

Libretto: Richard Wagner
Originalsprache: Deutsch
Uraufführung: 26. Juli 1882 Bayreuth

Personen

Amfortas (Bariton)
Titurel (Bass)
Gurnemanz (Bass)
Parsifal (Tenor)
Klingsor (Bariton)
Kundry (Sopran)
Zwei Gralsritter (Tenor und Bass)
Vier Knappen (Sopran und Tenor)
Klingsors Zaubermädchen (sechs Soprane)
Stimme aus der Höhe (Alt)

Handlung

Auf dem Gebiet und in der Burg der Gralshüter „Montsalvat“, Klingsors Zauberschloss und Garten; frühes Mittelalter.

Vorgeschichte

Der Gralskönig Amfortas hat im Kampf gegen den abtrünnigen Ritter Klingsor, der trotz seines Verlangens nach Heiligkeit nicht fähig war, ein reines Leben zu führen und sich deshalb selbst entmannte und eine Zauberburg geschaffen hat, den heiligen Speer verloren, als er sich von der dämonischen Kundry verführen ließ. Klingsor hat Amfortas mit dem Speer eine niemals heilende Wunde geschlagen; nun sucht Kundry, die sich in Klingsors Gewalt befindet, ihre Schuld zu sühnen, indem sie Amfortas heimlich lindernde Kräuter und Tränke bringt.

Erster Aufzug

Im Wald bei der Gralsburg, unweit des heiligen Sees, hält sich der alte Gralsritter Gurnemanz mit einigen Knappen auf und befiehlt ihnen, das Bad für den kranken König zu bereiten. Nach seinem Morgengebet erscheint Kundry und bringt Heilkräuter aus fernen Ländern. In traurigem Zug wird Amfortas herbeigetragen; seinen Dank weist Kundry zurück. Nach dem Bad des Königs erzählt Gurnemanz den Knappen die Geschichte vom ersten Gralskönig Titurel und dessen Sohn Amfortas („Titurel der fromme Held“). Eine Hoffnung ist für Amfortas geblieben: Seine Wunde kann durch die Berührung des heiligen Speers geheilt werden; aber nur ein durch Mitleid wissender „reiner Tor“ kann ihn zurückbringen. Plötzlich wird die Stille des Waldes gestört. Ein tödlich getroffener Schwan fällt zu Boden, die Ritter bringen den Schuldigen, einen fremden Jüngling, zu Gurnemanz, der ihm die Frevelhaftigkeit seines sinnlosen Handelns vorhält. Beim Anblick des toten Tieres zerbricht der Jüngling in einer plötzlichen Aufwallung der Gefühle seinen Bogen. Er weiß nichts von seiner Herkunft, kennt nicht seinen Namen, weiß nur, dass seine Mutter, der er weggelaufen ist, Herzeleide genannt wurde. Kundry hat zugehört; sie kennt seine Herkunft und sagt ihm hart, dass seine Mutter tot sei, worauf er sie wild an der Kehle packt. Gurnemanz kann ihn beruhigen. Er hält ihn für den verheißenen reinen Toren und führt ihn in die Gralsburg, wo er Zeuge des Liebesmahles der Bruderschaft der Gralsritter und der furchtbaren Klage des leidenden Amfortas wird, der sich weigert, Titurels Bitte um Enthüllung des lebensspendenden Grals, der Schale mit dem Blut des Erlösers, nachzukommen („Mein Sohn Amfortas“ – „Nein, lass ihn unenthüllt“). Doch Titurels Befehl muss erfüllt werden; alle sinken in die Knie, während der geheimnisvolle Gral in seltsamem Licht erglüht. Der Jüngling fühlt, dass hier etwas Unfassbares vorgeht, doch schweigend verweilt er bei der heiligen Handlung; sein Mitleid ist nicht zur Tat geworden. Enttäuscht jagt Gurnemanz ihn hinaus. Aus der Kuppel des Raumes tönt eine Stimme: „Durch Mitleid wissend, der reine Tor.“

Zweiter Aufzug

Auf seiner Zauberburg sieht Klingsor den von langer Wanderschaft kommenden Jüngling herannahen. Auf sein Geheiß erwacht Kundry mit einem furchtbaren Schrei aus todesähnlichem Schlaf; Klingsor zwingt sie, den Jüngling zu umgarnen und zu vernichten. Ein zauberhafter Garten entsteht; verführerische Mädchen umdrängen den staunenden Jüngling. Dann erscheint Kundry, die ihn mit seinem richtigen Namen Parsifal anspricht und vom Sterben seiner Mutter erzählt. In zauberhafter Schönheit nähert sie sich dem von der Erzählung bewegten Jüngling. Bei ihrem Kuss aber erwacht Parsifal zu plötzlichem Wissen; das Bild des leidenden Amfortas ersteht vor seinem inneren Auge. Er stößt Kundry von sich; ihre Verlockungen können ihn nicht mehr bewegen, er wird sich seiner Sendung bewusst. In ihrer Verzweiflung ruft Kundry Klingsor herbei, der den heiligen Speer nach Parsifal schleudert. Doch über seinem Haupt bleibt die Waffe schweben, sodass Parsifal sie ergreifen und damit das Zeichen des Kreuzes schlagen kann. Mit einem Mal versinken der Zaubergarten und Klingsors falsches Reich. „Du weißt, wo du mich wiederfinden kannst“, ruft er Kundry zu, dann begibt er sich auf die Fahrt zur Gralsburg.

Dritter Aufzug

Im einsamen Wald lebt Gurnemanz traurig und verlassen. Titurel ist gestorben, Amfortas enthüllt den lebensspendenden Gral nicht mehr. In den Büschen findet Gurnemanz die erstarrte Kundry, die sich demütig anbietet, nur noch zu dienen. Ein Ritter in dunkler Rüstung mit geschlossenem Visier schreitet durch den Wald; freudig erstaunt erkennt Gurnemanz den Toren, den er einst fortgeschickt hatte, und Amfortas' heiligen Speer. Parsifal erfährt von Gurnemanz die Not der Gralsritter; dann wäscht Kundry ihm die Füße. Gurnemanz begrüßt ihn als neuen Gralskönig; als solcher vollzieht er als erstes Amt an Kundry die Taufe. Gurnemanz preist die Bedeutung des Karfreitagswunders; in leuchtender Schönheit erblüht die Natur (Karfreitagszauber „Mein erstes Amt ... Wie dünkt mich doch die Aue heut so schön!“). Dann geleitet Gurnemanz Parsifal zur Gralsburg. Dort schreiten die Ritter in düsterem Zug zur Totenfeier für Titurel. Noch einmal soll Amfortas ihnen den Gral enthüllen; doch er weigert sich und fleht sie an, ihm den Tod zu geben. Da betritt Parsifal in Begleitung von Kundry und Gurnemanz den Saal. Mit dem Speer berührt er Amfortas' Wunde (Szene „Nur eine Waffe taugt“) und erlöst ihn hierdurch von seinem Leiden. Als neuer Gralskönig enthüllt er die heilige Schale; während ihr Licht strahlt, wird Kundry durch den Tod erlöst.


Harenberg Kulturführer OperMit freundlicher Genehmigung entnommen aus:

© Harenberg Kulturführer Oper,
5. völlig neu bearbeitete Auflage,
Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus