Aufführungsdatenbank

Siegfried

Besetzung 2014

Musikalische Leitung

Kirill Petrenko

Regie

Frank Castorf

Bühnenbild

Aleksandar Denić

Kostüme

Adriana Braga Peretzki

Licht

Rainer Casper

Video

Andreas Deinert

Jens Crull

Siegfried

Lance Ryan

Mime

Burkhard Ulrich

Der Wanderer

Wolfgang Koch

Alberich

Oleg Bryjak

Fafner

Sorin Coliban

Erda

Nadine Weissmann

Brünnhilde

Catherine Foster

Waldvogel

Mirella Hagen

Termine

  • Mittwoch, 30. Juli 2014, 16:00 Uhr
  • Mittwoch, 13. August 2014, 16:00 Uhr
  • Montag, 25. August 2014, 16:00 Uhr

SIEGFRIED

Patric Seibert über den "Ring des Nibelungen" (2013)

 

Die ersten Überlegungen zur Neuinszenierung des Rings für die Bayreuther Festspiele 2013 gingen zunächst in die Richtung eine Übersetzung für das Rheingold und den daraus geschmiedeten Ring zu finden. Hierbei stießen wir auf das Öl als Grundmotiv, in das auch das von Udo Bermbach ausführlich bearbeitete Thema einer durch gescheiterte Machtpolitik ruinierten Welt in die Inszenierung einfließen konnte, da dieses auch unserer Wagnersicht sehr nahe kam.

Doch sehr schnell bemerkten wir, dass wir mit einer bloßen Gleichsetzung Gold/Ring = Öl zu kurz greifen würden. Erstens ist Richard Wagner in seiner Musik wie in seiner dramatischen Vorlage zu konkret – ein solcher Eingriff würde die Werke ihres Witzes und ihrer Anarchie berauben und den Gesamtaufbau zerstören. Und zweitens wäre es auch aufgrund der äußeren Umstände der Inszenierungsarbeit kaum möglich gewesen, ein solches Konzept stringent durchzuführen, ohne dass es Reibungsverluste gegeben und Glättungen bedurft hätte. Das sollte vermieden werden.

Trotzdem war das Thema Öl gesetzt und eröffnete den Weg in die Geschichte des 20. Jahrhunderts, an dessen Schwelle Richard Wagner stand und für die er nicht nur im Bereich der Musik Wegmarken setzte, sondern auch philosophiegeschichtlich wie ein Brennglas wirkte. Von Hegel und Feuerbach kommend, bereitete er den Weg für eine Kunst des Abgründigen und Zwielichtigen und wies so auch den Weg in Richtung der Existenzialisten und zu Freud. Seine Interpretation von Schopenhauers Text Über das Geistersehen, die er 1870 in seinem Beethoven-Essay niederlegte, enthält die Beschreibung des Angstschreis als menschlicher Uräußerung an das Gehör. Der vereinzelte, entfremdete Mensch der Produkt- und Produktionswelt mit seinen Albträumen und Verstümmelungen wird thematisiert.

Wie wir sehen, gibt es kein „Ende der Geschichte“ nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten, vielmehr ist ein neuer Krieg ausgebrochen und an die Stelle des Kalten Krieges getreten. Ein Krieg um Ressourcen, die immer knapper werden und auf die der Zugriff um jeden Preis gesichert werden muss. In diesem Krieg, der auch ein Informationskrieg ist, sind alle Mittel erlaubt, denn die Interpretationsgewalt über die Geschichte behält der Sieger – so werden Fakten veränderbar, Bilder retuschierbar – die Realität fragwürdig.

Deshalb ist Geschichte auch nicht unbedingt linear zu denken. Wie beim Zappen oder Surfen, wird das Fragment immer mehr zum Fanal der Freiheit – auch dies wieder ein Fingerzeig aus der deutschen Romantik. Niemand kann mehr alles wissen – das Ideal des universal gebildeten Menschen der Aufklärung weicht dem Experten, dem Nerd und Schmalspurfachmann. Schnell generierte und gesammelte Informationen können kaum mehr in einen Gesamtkontext eingeordnet werden, Bruchteile geben einen Eindruck vom Großen und Ganzen – nur eine diskontinuierliche Erzählstruktur kann einer so fragmentarisierten Welt gerecht werden.

So nimmt die Erzählung in den USA zur Zeit der großen Hollywood Technicolorfilme – der scheinbar unbegrenzten Konsummöglichkeiten – ihren Anfang, springt dann nach Baku, wo in den 1880er Jahren ein Ölboom aufkam, in den Nobel und Rothschild als Unternehmer investierten und der für den jungen Josef W. Dschugaschwili (den späteren Stalin) zum Katalysator auf seinem Weg zum radikalen Revolutionär wurde.

Aus der ideologischen Steinzeit geht es rasch in den sozialistischen Realismus, wo man das Fürchten lernen kann. In einer Welt, in der alles aus Plastik gemacht ist, vergisst man schnell, woraus „Plaste und Elaste“ hergestellt sind. Die großen Ölkonferenzen der RGW*-Staaten in den 50er Jahren ließen das sowjetische Rohöl in die DDR fließen, von wo aus die Sekundärprodukte nicht nur in den Ländern der Warschauer Vertragsorganisation weitergehandelt wurden. Die Industriegebiete bei Leuna und Bitterfeld, die schon synthetischen Treibstoff für die Wehrmacht des Deutschen Reiches hergestellt hatten, spielten wieder eine große Rolle. Der Weg führt von Baku über die IG Farben zu Buna ... endet er an der New Yorker Börse?

Wahrscheinlich nicht – denn die Möglichkeit eines bösen Scherzes ist nicht auszuschließen. Vielleicht befinden wir uns auch nur im wirren Traum eines mongolischen Schamanen, der in der Steppe vor seinem Feuer sitzt, in die Flammen blickt und in dessen Bewusstsein Welten wie Seifenblasen auffliegen und dahinschweben...


Empfohlene Literatur:
Richard Wagner: Beethoven
Søren Kierkegaard: Der Unglücklichste/Der Begriff Angst
Arthur Schopenhauer: Über das Geistersehn und was damit zusammenhängt
Simon Sebag Montefiore: Der junge Stalin
Viktor Pelewin: Buddhas kleiner Finger/Tolstois Albtraum
Thomas Seifert/Klaus Werner: Schwarzbuch Öl


Filme:
Panzerkreuzer Potemkin (R: Sergej Eisenstein)
Tschapajew (R: Sergej und Georgji Wasilijew)
There will be blood (R: Paul Thomas Anderson)
Giant (R: George Stevens)


* Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), 1949-1991; wirtschaftlicher Zusammenschluss der sozialistischen Staaten unter Führung der Sowjetunion.

Der Ring des Nibelungen

Ein Bühnenfestspiel für drei Tage und einen Vorabend



 

Zweiter Tag: Siegfried

In drei Aufzügen

Libretto: Richard Wagner
Originalsprache: Deutsch
Uraufführung: 16. August 1876 Bayreuth

 

Personen

Siegfried (Tenor)
Mime (Tenor)
Der Wanderer (Bass)
Alberich (Bariton)
Fafner (Bass)
Erda (Alt)
Brünnhilde (Sopran)
Stimme des Waldvogels (Sopran)

 

Handlung

Ort und Zeit der deutschen Mythologie.

 

Vorgeschichte

Auf ihrer Flucht ist Sieglinde im tiefen Wald in die Höhle des Nibelungen Mime, des kunstreichen Schmieds, gekommen und hat den Knaben Siegfried geboren, nach dessen Geburt sie gestorben ist. Mime hat den Knaben aufgezogen. Die Stücke des zerbrochenen Schwerts wieder zusammenzuschmieden ist jedoch selbst ihm nicht gelungen.

Erster Akt

Mit einem gefangenen Bären kehrt Siegfried aus dem Wald in Mimes Höhle zurück. Mime hat ihm ein Schwert geschmiedet, doch er zerschlägt es mit einem einzigen Hieb. Als ihm Mime die Stücke des Schwerts zeigt, das sein Vater trug, als er im letzten Kampf unterlag, erkennt Siegfried die für ihn bestimmte Waffe und fordert Mime auf, sie für ihn zusammenzuschmieden. Mimes Klagen über seinen Undank und die Aufzählung aller Wohltaten, die der Zwerg ihm erwiesen hat, können Siegfried nicht daran hindern, seinen natürlichen Abscheu vor dem Nibelungen zu zeigen. Er stürmt wieder in den Wald hinaus.

Wotan, der als Wanderer die Welt durchstreift, betritt Mimes Höhle. Für drei Fragen, die ihm Mime stellen soll, setzt er sein Haupt als Pfand. Mimes Fragen nach den Geschlechtern, die in der Unterwelt, auf der Erde und im Himmel wohnen, beantwortet der Wanderer mühelos (»Auf wolkigen Höh'n thronen die Götter«). Dann stellt er selbst dem Schmied drei Fragen, deren letzte, wer in der Lage sei, die Stücke des Schwerts zusammenzuschweißen, Mime nicht zu beantworten vermag. Nun ist sein Leben dem Wanderer verfallen, der selbst die Antwort gibt: Nur wer das Fürchten nicht gelernt habe, werde die Stücke des Schwerts wieder vereinen; diesem werde auch Mime unterliegen. Lachend verlässt der Wanderer den verängstigten Zwerg.

Siegfried stürmt in die Höhle zurück und beschimpft Mime, der ihm das Schwert noch immer nicht geschmiedet hat. Nun macht er sich selbst an die Arbeit. Während Mime erkennt, dass dies der Held ist, der das Fürchten nicht kennt, schmiedet Siegfried selbst Nothungs Trümmer wieder zusammen (»Nothung! Nothung! Neidliches Schwert«). Mime wird Siegfried zur Drachenhöhle führen, wo Siegfried für ihn den Nibelungenhort gewinnen soll. Dann will er den jungen Helden durch einen Gifttrank töten und selbst das Gold und den Ring besitzen. Siegfried vollendet seine Arbeit (»Was schafft der Tölpel dort? ... Schmiede mein Hammer, ein hartes Schwert«) und spaltet am Ende den Amboss durch einen einzigen Schlag von oben bis unten. Jauchzend hält er das Schwert hoch.

Zweiter Akt 

Vor Fafners Nest, der »Neidhöhle«, kauert Alberich in dumpfer Ahnung, dass der Held, der den Hort erringen werde, nicht mehr fern sei. Wotan erscheint und warnt ihn vor Mimes Gier nach dem Ring. Dann weckt er den schlafenden Fafner, dem Alberich den nahenden Siegfried ankündigt, und verspricht, wenn Fafner ihm den Ring gebe, werde er ihn vor dem Helden bewahren. Doch Fafner kümmert sich nicht darum; er fühlt sich sicher im Besitz des Horts. Siegfried und Mime erscheinen vor der Neidhöhle. Siegfried kennt keine Angst vor dem unheimlichen Ort. Mime fordert ihn zum Kampf mit dem Drachen auf, in der Hoffnung, dass Siegfried unterliege und damit des Wanderers Prophezeiung widerlegt werde. Allein geblieben lässt sich Siegfried unter einer Linde nieder. Er denkt an seinen Vater und fühlt sich erleichtert, dass nicht Mime es ist. Auch um die tote Mutter bewegen sich seine Gedanken (»Dass der mein Vater nicht ist«).

Mit seinem Hornruf lockt er einen Waldvogel, doch der Ton hat Fafner geweckt, der sich ihm Feuer speiend als grässlicher Drache zeigt. Siegfried erlegt ihn nach kurzem Kampf. Im Sterben warnt Fafner ihn noch vor dem tückischen Mime. Als Siegfried mit dem Blut des Drachen seinen Mund berührt, versteht er plötzlich die Sprache des Waldvogels, der ihn auffordert, aus Fafners Höhle den Tarnhelm und den Ring zu holen. Während Siegfried hinabsteigt, geraten Mime und Alberich in Streit um den Hort, ziehen sich aber schnell zurück, als Siegfried mit dem Ring und dem Tarnhelm aus der Höhle zurückkehrt. Mime bietet Siegfried nun seinen giftigen Trank an, doch das Blut des Drachen hat ihn auch hellhörig gemacht. Mimes böse Gedanken vernimmt er wie gesprochene Worte. Mit einem Streich tötet er ihn, worauf Alberich mit höhnischem Lachen im Wald verschwindet. Als sich Siegfried müde unter der Linde ausstreckt, spricht der Waldvogel wieder zu ihm und verheißt, ihn zu einem herrlichen Weib zu führen, das auf einem von Flammen umgebenen Felsen schlafe und nur von dem errungen werden könne, der das Fürchten nicht gelernt habe. Siegfried folgt dem Vogel begeistert.

Dritter Akt 

Wotan beschwört Erda, um von ihr die Zukunft zu erfragen (»Wache, Wala«). Doch auch ihr Wissen befriedigt ihn nicht, er versenkt sie in ewigen Schlaf. Er will die Macht freiwillig dem jungen Helden überlassen, der Brünnhilde zu wecken vermag. Dann soll der unselige Ring zu den Rheintöchtern zurückkehren und der Fluch Alberichs erloschen sein. In der Morgendämmerung erscheint Siegfried. Der Waldvogel zieht sich vor Wotan zurück. Mit seinem Speer versperrt Wotan Siegfried den Weg, doch dieser zerschlägt die Waffe mit Nothung; Wotans Macht ist gebrochen. Furchtlos stürzt sich Siegfried in das Flammenmeer und erreicht den Gipfel (»Selige Ode auf sonniger Höh'«). Das Feuer zieht sich zurück, und Siegfried erblickt die schlafende Brünnhilde, die er nach scheuem Zögern durch einen Kuss weckt. Langsam erwacht Brünnhilde und begrüßt den hellen Tag (»Heil dir, Sonne«). Sie erkennt den Helden, der sie geweckt hat und vor dem sie nun ohne Schutz ist. Vergebens bittet sie ihn, von ihr zu lassen und an seine Sendung als Herr der Welt zu denken. Sie erliegt seiner stürmischen Werbung, in seligem Taumel sinken sie einander in die Arme.



 


Harenberg Kulturführer OperMit freundlicher Genehmigung entnommen aus:
 

© Harenberg Kulturführer Oper,
5. völlig neu bearbeitete Auflage,
Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus